Lily Parr - frühe Heldin des Frauenfußballs

1919 ist Lily Parr vierzehn Jahre alt. Als Fabriksarbeiterin stellt sie bei Dick & Kerr Munition her. Wie hundert-tausende andere Frauen auch, ersetzt sie Männer, die an der Front sind, in der Fabrik. Und sie spielt Fußball. Aus Leidenschaft und für den guten Zweck. Ein Fenster in der Europäischen Kulturgeschichte, das aufgrund des Krieges ein Stück Gleichstellung möglich macht. Lily Parr ist eine Fußball-Persönlichkeit, die jede:r kennen sollte.

 

Was mich an dieser Frau so fasziniert ist, dass sie am Papier ein sehr entspanntes, erfolgreiches Leben geführt hat. In ihrer ersten Saison erzielt die Vierzehnjährige 43 Tore. Gesamt kommt sie auf einen Score von an die 1.000 Tore in ihrer 30-Jahre dauernden Karriere als Fußballerin. Schon mit vierzehn Jahren verdient sie Geld mit ihrer sportlichen Leistung. Sie ist der Star des Teams, das 1920 bei einem legendären Match 53.000 Zuschauer:innen zählt. Das sind knapp 3.000 Zuschauer:innen mehr als das Finale des Männer-Fußballs-Cups zur selben Zeit anzieht. 1921 verbietet die FA (Football Association) Frauen, ihre Spielfelder zu nutzen. Parrs Team spielt auf anderen Grünflächen weiter. 1922 geht das Team nach im TV übertragenen Spielen gegen Frankreich auf Nord-Amerika-Tour.  So groß war die internationale Aufmerksamkeit. Von neun Spielen gehen eine Auswahl der besten US-amerikanischen Männerteams gewinnen die Dick, Kerr Ladies drei Spiele. Drei gehen unentschieden aus und drei verlieren sie.

 

Bis zu ihrem Tod 1973 lebt Lily Parr mit ihrer Partnerin Mary zusammen, obwohl Homosexualität seit den 20ern in England verboten ist. Schon als Jugendliche lebte sie in einer lesbischen Beziehung. Neben Mut dürfte sie also auch Glück gehabt haben. Vielleicht hat sie auch ihre Bekanntheit geschützt. Sie war bekannt für ihren harten Schuss. Angeblich hat sich sogar ein gegnerischer Tormann im Versuch ihren Schuss abzuwehren, den Arm gebrochen.

 

Was mich an Lily Parr so fasziniert ist, dass sie einen eisernen Willen gehabt haben muss; eine tiefe Überzeugung, dass ihr Leben richtig ist; dass es normal ist, lesbisch zu sein; dass es normal ist, als Frau gut Fußballspielen zu können; ja, dass es normal ist, als Frau sportlich, stark und manchmal auch dreckig zu sein. Trotz Unmengen an Zeitungsartikeln, staatlicher Meinungsmache und medizinischer Aussagen, die Frauen im Kleid am Herd sehen wollten – bitte mit langen Haaren und ohne Zigarette in der Hand. Die 1920er in England sind eine Zeit, in der es Frauen verboten ist, Hosen zu tragen. Während Frauen in Pubs kein Bier an der Bar trinken dürfen, sondern sich nach hinten verziehen müssen, spielt Lily Parr die Männer der FA an die Wand. Mit einem unbeweglich harten, schweren, ledernen Fußball. Und kommt in den Genuss des ersten Flutlicht-Spiels des Landes.

 

Erst seit 1971 dürfen Frauenteams übrigens wieder die professionell gepflegten Plätze der FA benutzen. Doch die 50 Jahre Benachteiligung haben ihre Spuren in der ungleichen Weiterentwicklung des Sports hinterlassen. Ein Beispiel: Während das durchschnittliche Einkommen eines männlichen Fußballprofis in Österreich € 200.000,- pro Jahr ist – Harry Kane verdient das bei Tottenham btw pro Woche – ist es bei weiblichen Profis normal, dass sie nebenbei einem Brotberuf nachgehen. Nina Burger hat während ihrer Profi-Karriere als Polizistin gearbeitet. Derzeit können vielleicht drei Frauen in Österreich vom Fußballspielen leben.

 

Lily Parr hat sich in einer Kultur behauptet, die Frauen Gewalt angetan hat. Der Fußballverband FA wollte Frauen mit dem Argument, es sei wider ihre Natur, das Fußballspielen verbieten. Durchgesetzt hat sich der Frauenfußball trotzdem. Lily Parr ist die einzige Frau in der FA Hall of Fame. Seit 2019 erinnert eine Statue im National Football Museum Manchester an die herausragende lesbische Fußballerin. Sie ist die erste Frau, der eine Statue gewidmet wurde. Eine Frau, die Fußballfans kennen sollten.

 

Foto von Irish Mirror

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