Die Presse - Nestroypreis

Außerhalb Österreichs zählt die goldene Statue des Nestroypreises herzlich wenig. Innerhalb des Landes gilt der Nestroy als verstaubt, elitär und realitätsfern. Der Wiener Bühnenverein könnte wesentlich mehr aus dem Österreichischen Theaterpreis machen. Sogar ein Event mit internationaler Strahlkraft.

Vergangene Woche ging der Nestroypreis 2018 über die Bühne; diesmal über die des Theater an der Wien. Davon erfahren haben wenige. Die Theaterszene freilich, einige Wiener_innen, die bereits mit der Muttermilch die Staatsoper für Kinder aufgesogen haben. Aber wieviele Menschen sind das schon? Verglichen mit denen, die man erreichen könnte; mit jenen, die sich für Glamour interessieren, mit dem Publikum von ATV, der Miss oder Wienerin, ganz abgesehen von den Theaterinteressierten außerhalb Österreichs. Wo ist also die PR Arbeit des Wiener Bühnenvereins?

Die Nestroy-Gala ist mit Abstand das glamouröseste Event am österreichischen Theaterkalender. Stars* und Sternchen* turteln in wunderschönen Kleidern durcheinander. Große Namen geben sich die Hand. Nominierte versuchen, nicht nervös zu wirken. Verlierer_innen versuchen, sich für die anderen zu freuen und die Gewinner_innen der unzähligen Preise strahlen um die Wette. Auf der Bühne werden aktuelle Themen aus Gesellschaft, Kunst und Kultur verhandelt, die Preisträger_innen geben selbst gestaltete Statements ab (Das sind ja alles Künstler_innen, was kann da alles passieren auf der Bühne!). Die Theaterszene glänzt und glitzert und - niemand sieht es.

Dabei beeindruckt die Stadt Wien unter anderem aufgrund der hohen Dichte an Theatern, an Kunst- und Kulturangeboten und seiner besonderen Geschichte, in der das Volks- wie Burgtheater immer eine große Rolle spielten. Wie nebenbei existiert in Wien eine vibrierende freie Szene, die neue Formen entwickelt und viel näher am Puls der Zeit produzieren kann, als die großen Kulturbunker, die wiederum international für ihre hohe und zuverlässige Qualität geschätzt werden.

So viel müsste man gar nicht ändern, und schon könnte man Übersee mit einer Nominierung des Wiener Theaterpreises angeben. Man könnte sich auch als Nominierte_r freuen, dabei gewesen zu sein, Instastories teilen, Fotos vor dem Eingang machen, mit den Preisträger_innen posieren, Statements in Kameras abgeben - kurz: sich positionieren und den Nestroy in seine PR-Arbeit einfließen lassen. Geld bringt er nämlich nicht, der güldene Nestroy. Reines Prestige also. Doch was nützt Prestige, von dem niemand erfährt?

Der Bühnenverein muss die PR der Veranstaltung ins Heute holen. Weder wird Social Media zur Verbreitung der Inhalte eingesetzt, noch Blogger_innen mit Pressekarten ausgestattet. Andere Europäische Theaterpreise glänzen auf Instagram bereits seit Jahren um die Wette, YouTube-Kanäle und Podcasts stellen nationale Theaterbranchen vor, Blogs erzählen hautnah von ihren Stars. PR-Budget für den Nestroypreis käme der gesamten österreichischen Theaterbranche zu gute, würde sie einen und gemeinsam stark auftreten lassen. Gleichzeitig könnte der Bühnenverein seine Wertschätzung gegenüber den einzelnen Künstler_innen ausdrücken - schöne Fotos, Videos und Interviews. Derzeit genügt es anscheinend, die Seitenblicke vor Ort zu haben und das Spektakel zeitverzögert auf ORF III zu übertragen.

Wenn der Bühnenverein den Nestroy jetzt noch neu konzipieren würde; als Branchentreff organisieren, Theatervereine um Statements bitten, Gleichstellung und Diversität am Theater auf die Bühne holen und die freie Szene besser integrieren würde - dann wäre der Nestroypreis in seiner vollen Größe angekommen.


Mag.a Clara Gallistl ist selbstständige Strategin für PR und Community Building, Vorsitzende der NPO “Neues Wiener Theater - Verein zur Demokratisierung der Wiener Theaterlandschaft” und seit 10 Jahren an unterschiedlichen Wiener Theatern tätig. Ihre Karriere begann Sie 2009 am Burgtheater.

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Investiert in nachhaltige Strukturen!

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Meint die Burg das ernst?